Pfiffig

Gab es laut Zentralverband des deutschen Handwerks 2007 noch knapp 28.000 Auszubildende im Metallhandwerk, waren es zehn Jahre später nur 15.581. Ganz so dramatisch ist die Lage bei den Beschäftigten nicht: Von 2008 bis 2015 sank deren Anzahl um 9000 auf 210.000. Die pfiffige Suche nach Mitarbeitern und Azubis ist heute vor allem Chefsache.

Vor Jahren lief das leichter. Mehr denn je müssen Inhaber von metallverarbeitenden Betrieben Zeit und Geld investieren, strategisch vorausdenken und Ideen entwickeln. Die Umsetzung kann dann in anderer Hand liegen. Etwa, wenn sich Betriebe in Schulen oder auf Ausbildungsmessen präsentieren: Dann sind Lehrlinge im zweiten Ausbildungsjahr im Gespräch mit gleichaltrigen Bewerbern viel überzeugender als der ältere Chef.  

Wie Praktika funktionieren

Eine weitere wirksame Möglichkeit, potenzielle Azubis kennenzulernen und für den Metallbau zu interessieren, ist ein Praktikum. Doch das funktioniert nur, wenn die jungen Menschen beschäftigt werden. Stundenlanges Zuschauen und Leerlauf langweilen und wecken ganz sicher nicht das Interesse an einem Ausbildungsbetrieb. Schlimmer noch: Sie erzählen von ihrem miesen Erlebnis in der Schule.

Intensiv kümmern

Experten empfehlen: Wenn Sie Praktika anbieten, kümmern Sie sich intensiv um die potenziellen Azubis. Überlegen Sie sich, wie Sie sie fünf Tage beschäftigen können – und wenn es nur sechs Stunden sind und Sie sie dann wieder nach Hause schicken. Nicht nur, dass die jungen Menschen etwas zu tun haben, sie bekommen auch Ihre Wertschätzung. Das ist oft ausschlaggebend: Wo fühlen sich die jungen Menschen wohl und angenommen.

Kostenlose Nachhilfe

Es gibt Handwerker, die sich darüber hinaus Gedanken machen und mit jungen Menschen erfolgreich in Kontakt kommen: Bieten Sie kostenlosen Nachhilfeunterricht an. Der Dachdecker Lars Thullesen aus Schleswig hat einen Lehrer in Teilzeit eingestellt, der Schülern der 7. bis 9. Klassen kostenlosen Nachhilfeunterricht gibt (www.thullesen.de/grundstein/). So lernt er jüngere Menschen kennen und kann sich von deren Charakter und Engagement überzeugen. Und natürlich stellt er sich und seinen Betrieb gegenüber den Schülern vor: Dank diesem Engagement gewinnt er Jugendliche für seinen Betrieb. Und diese  danken es ihm: Mehrere Landessieger, Bundessieger und einen Vize-Weltmeister hat der Betrieb bereits ausgebildet.

Geben Sie „anderen“ eine Chance

Ein Dachdecker im Schwäbischen gab einem Gesellen, der eine Gefängnisstrafe abgesessen hatte, eine Chance. Ein Aluminiumverarbeiter aus der Gegend von Dresden stellte eine Schwerbehinderte in der Verwaltung ein und organisierte einen höhenverstellbaren Schreibtisch samt entsprechendem Stuhl. Beide Mitarbeiter waren begeistert, dass sie eine Chance bekamen und haben das Vertrauen ihres Chefs in den vergangenen Jahren mit guten Leistungen mehr als zurückgegeben.

Innungsprüfungen nutzen

Branchen-Wechsel: Der Schreinermeister Marcus Brenner engagiert sich in der Innung und nimmt den ausgelernten Lehrlingen die Prüfung ab. Oft lernt der Master of Arts interessante Gesellen kennen, die gut zu seinem Betrieb passen, der auf Innenausbau spezialisiert ist. Umgekehrt ist der Möbeldesigner ein interessanter Chef für die Gesellen. Das Problem, Azubis oder Mitarbeiter zu finden, kennt der Schwabe nicht.

Nutzen Sie Facebook-Gruppen

Dirk Eckart treibt sich oft in Facebook-Gruppen für Gerüstbauer herum. Der Chef des Spezialgerüstbauers Gemeinhardt postet gezielt Stellenanzeigen, präsentiert seine aktuellen Projekte und wirbt für „Sicherheit in Perfektion“, so der Firmen-Claim (www.spezialgeruestbau.de). Ein Düsseldorfer und ein Münchener Gerüstbauer sind aus den attraktiven Städten aufs Land kurz vor Dresden gezogen. Einerseits reizen die Beiden die besonderen Herausforderungen des Sondergerüstbauers. Andererseits können die jungen Männer kaum günstigeren Wohnraum finden.

Tun Sie etwas für Ihre Mitarbeiter

Jörg Knoblauch, Unternehmensberater und ehemaliger Inhaber eines metallverarbeitenden Betriebes, hat ein siebenstufiges Konzept entwickelt, wie die Angestellten zunehmend mehr Verantwortung erhalten. Das reicht vom Mit-Wissen über das Mit-Lernen und Mit-Besitzen bis zu „Mit Werten unterwegs“. Es beinhaltet 33 einzelne Schritte, deshalb wird das Konzept „33 Rosen“ (http://bit.ly/2gXBzBN) genannt. „Es kostet viel Zeit und Geld, um neue Mitarbeiter zu gewinnen, die ins Team passen, sich im Betrieb integrieren und ihre Leistung bringen“, so der Personal-Experte. Umso wichtiger ist es, die eigenen Mitarbeiter zu pflegen und sie zu Botschaftern zu machen.

Nutzen Sie die eigenen Mitarbeiter

Wer kann die tatsächlichen Arbeitsverhältnisse im Betrieb besser einschätzen als die eigenen Mitarbeiter. Davon lebt etwa die Plattform kununu, auf der Mitarbeiter ihr Unternehmen bewerten. Tatsächlich sind das Ihre überzeugendsten Botschafter, wenn Sie wirklich ein guter Arbeitgeber sind. Die IT-Schmiede Easysoft hat in den vergangenen beiden Jahren 60 Prozent ihrer knapp 30 neuen Mitarbeiter über Mitarbeiterempfehlungen gewonnen. Wenn Stellenausschreibungen an Online-Portale und Zeitungen geschickt werden, erhalten vorab die Mitarbeiter dieselbe Information. Ein Vorteil für das Unternehmen: Freunde teilen in aller Regel die gleichen Werte, passen höchstwahrscheinlich gut zum Unternehmen. Übrigens: Geschäftsführer Andreas Nau zahlt keinen „Finderlohn“. Den Mitarbeitern reicht, dass sie die Arbeitsatmosphäre mit Bekannten teilen.

Eine Chance für Quereinsteiger

Erneuter Branchenwechsel: Etliche junge Menschen quälen sich durch das Abitur, weil ihnen Handwerk wenig lukrativ erscheint, und ergreifen einen Bürojob. Malzers Backstube macht sich deren Unzufriedenheit zunutze und bietet Quereinsteigern offensiv einen einfachen Branchenwechsel an. Mit Erfolg: In der Produktion haben fast 40 Prozent der Belegschaft ursprünglich einen anderen Beruf gelernt. Im Verkauf ist es ein Drittel. Und: Der Ruhrpott-Bäcker profitiert von ihren anderen beruflichen Sichtweisen.

Mitarbeiter-Wissen nutzen

Der Malermeister Günther Münzenmaier traf sich an einem Freitagnachmittag pro Monat mit allen Mitarbeitern. Zielsetzung: Wie können wir im Arbeitsalltag besser zusammenarbeiten - und was ist realisierbar? Schon diese Besprechung mit einem externen Moderator drückte Wertschätzung aus: Seine zehn Mitarbeiter sind ihm wichtiger als zwei, drei Aufträge, die sonst in dieser Zeit erledigt werden könnten. Und es geht einen Schritt weiter: Der Chef will von seinen Mitarbeitern wissen, wie sie ihren Job besser und stressfreier erledigen können. Dadurch beteiligt er sie. Und es gilt als Binsenweisheit, dass Menschen ihre Arbeit als weniger belastend und stressig erleben, wenn sie dieselbe – quasi als Mitunternehmer - mitgestalten können.

 

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